Next: (2)Up: Descartes lesen Previous: Descartes lesen (1)Einerseits wird Descartes gerne als Folie für eine Kritik an der Entwicklung der neuzeitlichen Gesellschaft genutzt. Das bietet sich an, da er Gedanken präzise und gewissenhaft formuliert, die am Anfang einer folgenreichen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und industriellen Entwicklung stehen. Viele Folgen dieser allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung können anhand einer ,Symbolfigur Descartes` erörtert werden. Dazu gehören etwa die Universalisierung der Geldwirtschaft und damit zusammenhängend die Quantifizierbarkeit beliebiger Sachen oder die Entwicklung der mathematischen Naturwissenschaft, die im 19. Jahrhundert sich an die Erforschung des Psychischen nach Vorgaben der mathematischen und physikalischen Berechenbarkeit gemacht hat. Man kann die Anfänge solcher Entwicklungen neu bewerten und ihren Ursprung in Europa zu Descartes' Zeit verorten.Es wird hier allerdings verfahren, als könne man Kulturkritik in zwei Schritten üben. Zunächst wird gleichsam der Geburtsfehler der neuzeitlichen Zivilisation in Descartes' (oder Bacons etc.) Philosophie lokalisiert. In einem weiteren Schritt versucht man dann, die cartesische Philosophie selbst aus guten Gründen für verfehlt zu erklären. Sollte sich aber tatsächlich herausstellen, dass Descartes oder andere eine kulturelle Entwicklung initiiert haben und sie dabei einen philosophischen Fehler begangen haben, so ist allerdings immer noch nicht viel gewonnen. Denn die Kritik an einem Philosophen führt noch nicht automatisch zu der Behebung eines Missstandes, auch wenn dieser auf seinem Fehler beruht. Der verbleibende dritte Schritt ist um einiges wichtiger als die vorhergehenden: Es ginge darum, selbst Philosophie zu treiben und damit alternative Entwicklungen zu ermöglichen.Next: (2)Up: Descartes lesen Previous: Descartes lesen |
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